Vor genau 40 Jahren starb mit Little Junior Parker einer der bedeutendsten Geburtshelfer des frühen Rock’n’Roll. Legacy Club erinnert an einen Musiker, der in seinem viel zu kurzen Leben Bleibendes hinterließ.
Von Ernst Hofacker
Als Elvis Presley im Sommer 1954 seine ersten Sessions bei Sun absolvierte, verfügte er über eine musikalische Bildung, die für einen jungen Weißen der Vorkriegs-Generation kaum denkbar gewesen wäre: In Memphis, einer der größten Metropolen des amerikanischen Südens, war er aufgewachsen inmitten einer pulsierenden Kulturszene, in der Rassenschranken zu Beginn der 1950er Jahre faktisch kaum noch eine Rolle spielten. Jedenfalls nicht für das Musikpublikum, dem neben einer quirligen Liveszene zum Beispiel auch jede Menge Radiosender – schwarze wie weiße – zur Verfügung standen. In den Kirchen gab es die stimmgewaltigen Gospelchöre, dazu tummelten sich in den Kneipen rund um die Beale Street vitale Rhythm’n’Blues- bzw. Jump Blues Bands; und auf der Skala des Radios waren die verschiedensten Sender zu finden, die den Country & Western der Weißen, den Blues der Schwarzen und nicht zuletzt die Schlagermelodien der Tin Pan Alley spielten.
Junior Parker, geboren am 27. Mai 1932 in Clarksdale, Mississippi, war ein Gewächs dieser Szene, schon früh gewaschen mit allen musikalischen Wassern jener Ära. Er hatte noch kaum seine Teenagerjahre hinter sich, da arbeitete er bereits mit Größen wie Sonny Boy Williamson II., Bobby „Blue“ Bland und dem jungen B.B. King zusammen. Zu Beginn der 1950er Jahre ermutigte ihn ein Kumpel, Ike Turner, der in Memphis als A&R Scout und Produzent für das kalifornische Indie-Label Modern Records arbeitete, zu ersten eigenen Aufnahmen. Mehr als eine Single kam dabei allerdings zunächst nicht heraus. Bald aber platzte der Knoten: 1953 entdeckte Sam Phillips den 21-jährigen Parker und nahm ihn für sein gerade gegründetes Label Sun Records unter Vertrag. „Feelin’ Good“, „Mystery Train“ und „Love My Baby“ wurden im Jahr 1953 zu Juniors ersten Hits in den R’n’B-Charts. Ein Jahr später schon hatte er Phillips wieder verlassen und bei Duke Records unterschrieben, wo er bis Mitte der sechziger Jahre gut im Geschäft blieb und gelegentliche Hits landete. Little Junior Parker starb, noch keine 40 Jahre alt, am 18. November 1971 im Krankenhaus von Blue Island, Illinois, an den Folgen einer Hirntumor-Operation.*
Für den jungen Elvis aber hatte Junior Parker einen der wichtigsten Brückenköpfe zur schwarzen Musik gebildet. Nicht umsonst nahm der King 1955 in Sam Phillips’ Sun Studio eine mitreißende Version von Parkers „Mystery Train“ auf, bei der sich Scotty Moore für sein Gitarrenarrangement wiederum deutlich von Parkers 1953er-Rockabilly-Blaupause „Love My Baby“ inspirieren ließ.