Jun
3
2014

Teil 1: 1935 bis 1953 – Von Tupelo nach Memphis

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Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, inhalierte den Rhythm & Blues schon in der Kindheit und ging schließlich in Memphis vollkommen selbstbewusst zu seiner ersten Aufnahme: Warum Elvis wurde, wie er wurde.

Text: Helmut Radermacher

 

Am 8. Januar 1935 wurde Elvis in Tupelo, Mississippi, geboren. Die Presleys galten als „White Trash“ – eine weiße Unterschicht, die tiefer gestellt war als die Schwarzen aus dieser armen Gegend. Luxus war ein Fremdwort, Arbeit nicht der Normalfall. Wer etwas zu essen hatte, war schon gut dran. Gladys und Vernon Presley bekamen an diesem Januartag Zwillinge; Elvis‘ Bruder Jesse Garon jedoch war eine Totgeburt; er wurde wohl aus Kostengründen in einem Massengrab ohne Namenskennung beerdigt.

Kein Wunder also, dass Elvis als Kind jede erdenkliche Abwechslung genoss, und so war Musik aus dem Radio oder live dargeboten von Künstlern gleich welcher Hautfarbe eine ideale Abwechslung. Zudem sang die ganze Familie Gospels in der Kirche. Genau diese Mischung war es, die den jungen Elvis prägte. Blues und Hillbilly, Rhythm & Blues und die Schlager der damaligen Zeit, alles saugte er in sich auf. So konnte dieser junge Mann später der größte Entertainer des Jahrhunderts werden. Er lernte, aus dem Bauch heraus Lieder vorzutragen, er hatte die Melodie im Kopf, sein fertiges Arrangement für jedes Lied war abgespeichert.

 

Fred Astaire als Vorbild

Einer der größten Stars der 1930er Jahre war Fred Astaire – ein überragender Tänzer und Sänger. Seine Art, zu Liedern mit schwierigen Musikteilen optisch und tänzerisch besonders gut zurechtzukommen, wurde später ein Vorbild für die von Elvis so gekonnt vorgetragene Choreographie zu „Jailhouse Rock“. „Cheek To Cheek“ von Fred Astaire wurde der Hit des Jahrzehnts. Aber auch Bing Crosby war jemand, den jeder kannte, er hatte vor Elvis die meisten Hits – 317 seiner Titel kamen in die Hitparade. Auf den nächsten Plätzen landeten ausschließlich Bandleader mit ihren Swing-Orchestern.

Als Zehnjähriger gewann Elvis den fünften Preis bei einem Talentwettbewerb der „Mississippi-Alabama Fair And Dairy Show“ in Tupelo. Elvis sang (mit Brille, was bis heute nie erklärt werden konnte) den alten Red-Foley-Song „Old Shep“. Der Anfang war gemacht, es konnte nur besser werden.

Die Presleys schlugen sich irgendwie durch. Vernon arbeitete sogar zeitweise am Golf von Mexico. Sechs Mal mussten sie innerhalb des Ortes Tupelo umziehen, weil sie die Miete nicht mehr zahlen konnten. Zu seinem elften Geburtstag bekam Elvis 1946 eine Gitarre geschenkt, obwohl er lieber ein Fahrrad oder ein Gewehr haben wollte. Aber Gladys und der Inhaber des Hardware Stores, Forrest L. Bobo, konnten ihn zu dem Instrument überreden, das vermutlich die wichtigste Investition für sein weiteres Leben sein sollte – 7,90 Dollar, die sich wahrlich gelohnt hatten.

 

Flucht nach Memphis

Als in Tupelo gar nichts mehr klappte, entschloss sich Vernon, von dort wegzuziehen. Ende 1948 packten die Presleys das Wichtigste in ihren Wagen und fuhren nach Memphis, das für sie „gelobte Land“. Ihre erste Wohnung war eine Pension in der Washington Street, wo sie für elf Dollar pro Woche unterkamen. Nach weiteren Umzügen landeten sie in den Lauderdale Courts im Norden von Memphis, wo sie immerhin bis 1952 blieben. Elvis besuchte die Humes High School. Seine Freizeit verbrachte er gerne auf der Beale Street, wo Blues, Hillbilly und Gospel gespielt wurde, genau das, was er kannte und liebte. Dort lernte er Leute kennen, die später eine wichtige Rolle in seiner Karriere spielen sollten: das Blackwood Brothers Quartet mit J.D. Sumner etwa (J.D. sang in den 1970er Jahren bei Elvis auf Platten und bei Konzerten). Oder Bob Neal, der auch später mal eine Zeitlang sein Manager sein werden sollte, wie auch John Black, den Bruder von Bill Black, der bald mit ihm Musik machen sollte.

Und er begegnete dort auf der Beale Street einem Mann, der die verrücktesten Klamotten weit und breit schneiderte. Sein kleines Taschengeld, das er sich durch Nebentätigkeiten erwarb, steckte er in die Ausstaffierung des neuen ELVIS PRESLEY, Elvis in Pink und Schwarz und weiteren Farben, die sonst nur die Schwarzen trugen, und das auch nur auf der Bühne. Aber so lief Elvis tagsüber herum, trug dazu die Haare relativ lang, besonders die Koteletten, die zu seinem Markenzeichen wurden.

 

8 Dollar für die erste Aufnahme

Elvis beendete die Schule 1953, bemühte sich um eine Arbeit. Er hatte schon viel von Sam Phillips und dessen SUN-Studio gehört. Dort gab es den Memphis Recording Service, wo jeder von sich eine private Schallplatte aufnehmen und ein einziges Exemplar mit nach Hause nehmen konnte. 8,25 Dollar inklusive Steuern waren damals viel Geld, aber Elvis lieh sich den Betrag – er wollte unbedingt hören, wie er auf einer Schallplatte klingt. So nahm er im Juli 1953 zwei Balladen auf, nur er und seine Gitarre – „My Happiness“ und „That’s When Your Heartaches Begin“. Erst 1990 konnten die Fans das Lied zum ersten Mal hören (1992 erschien dann auch das zweite Lied). Elvis‘ Schulfreund Ed Leek hatte das Azetat wieder gefunden und die Rechte an RCA verkauft. Elvis klingt dort noch ein wenig unbeholfen, das Professionelle aber sollte schon bald dazu kommen. Doch bereits  auf diesen Aufnahmen hört man Elvis‘ Rhythmusgefühl heraus sowie die Gabe, die Gitarre wie auch die Stimme an den richtigen Stellen laut oder eben auch leise einzusetzen.

Die Sekretärin von Sam Phillips, Marion Keisker, stand Elvis bei der Aufnahme ein wenig zur Seite. Sie war es, die ihrem Chef später von ihrer Entdeckung erzählte. Als Elvis ein halbes Jahr später erneut eine Platte aufnahm, erinnerten sich beide an diesen Typen mit den Koteletten, der so Sprüche von sich gegeben hatte wie „I sing all kinds“ und „I don’t sound like nobody“. Ein gesundes Selbstvertrauen, das die Grundlage für den unvergleichlichen Erfolg sein sollte, der schon bald auf Elvis hereinprasselte.

TIPP
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