Mit Jerry Leiber ist in dieser Woche ein legendärer Songwriter gestorben, der Popgeschichte geschrieben hat.
Von Ernst Hofacker
Wer das Kleingedruckte auf den 45er-Platten las – und das waren in Zeiten des Vinyls nicht wenige –, der kannte seinen Namen: Jerry Leiber stand gemeinsam mit seinem Partner Mike Stoller unter den Songtiteln, mit denen der junge Elvis Presley die Welt eroberte. „Hound Dog“ zum Beispiel und „Jailhouse Rock“. Wobei der King nicht der einzige Kunde der beiden war, in deren Hitschmiede bediente sich im Grunde alles, was in der Rhythm’n’Blues-Szene der 1950er Jahre Rang und Namen hatte: The Coasters, The Drifters, auch Big Mama Thornton, die stimmgewaltige schwarze Sängerin aus Alabama, für die „Hound Dog“ ursprünglich geschrieben wurde und die es bereits 1953 zum Monsterhit in den R’n’B-Charts gemacht hatte.
Jerry Leiber, geboren am 25. April 1933 in Baltimore, Maryland, verliebte sich schon als halbwüchsiger weißer Junge in die schwarze Musikkultur seiner Heimatstadt. Als er 1950 nach Los Angeles kam, traf er dort auf den Pianisten Mike Stoller. Die beiden taten sich zusammen, schrieben erste Songs, darunter den Klassiker „Kansas City“, und fanden schon bald Abnehmer. Für erste Erfolge sorgten neben Thornton die Platzhirsche der dortigen Szene wie Jimmy Witherspoon und Charles Brown. Spätestens als Leiber/Stoller bei Atlantic Records als Hauskomponisten anheuerten, gehörten die Songwriter zur handverlesenen Elite des jungen US-Pop. Nicht zuletzt auch, weil sie höchst erfolgreich als freie Produzenten arbeiteten. Zu den späteren Leiber/Stoller-Hits zählten Songs wie „On Broadway“ (The Drifters), „Yakety Yak“ (The Coasters) und „Stand By Me“, das durch Ben E. King berühmt wurde. Ebenfalls Ben E. King war es, der „Spanish Harlem“ zum Welthit machte, das allerdings hatte Leiber zusammen mit Phil Spector geschrieben. Am Montag, dem 22. August, ist Jerry Leiber in Los Angeles 78-jährig an Herzversagen gestorben.
Zum Autor: Ernst Hofacker, Jahrgang 1957, hat als Redakteur unter anderem bei BRAVO, MUSIKEXPRESS und ROLLING STONE gearbeitet. Als Chefredakteur leitete er das Themenmagazin SOUNDS, im Frühling 2010 übernahm er GUITAR DREAMS. Gesprochen hat Hofacker im Laufe der Jahre mit Größen wie Ray Davies und Keith Richards. Dazu hat er diverse Bücher veröffentlicht, darunter das Standardwerk „Confessin’ The Blues – die Musik der Rolling Stones 1963-2010“. Im Frühjahr erscheint „Legenden – 25 Rockmusiker im Porträt“.